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Geschichte:
Der Hirschgarten
 
 
Eine Vision wird Wirklichkeit

Der Plan zur Anlegung einer Parkanlage vor der kurmainzischen Statthalterei wurde vor über 270 Jahren gefaßt. Dem sehr energischen und wohlhabenden mainzischen Statthalter Anselm Franz Ernst Freiherr von Warsberg (er residierte in Erfurt von 1732-1760) störte die enge Straßenbebauung gegenüber seines Dienst- und Wohnsitzes. Deshalb ließ er 14 Gebäude dieses mittelalterlichen Wohnquartiers ab 1733 bis zur Neuwerkstraße schrittweise aufkaufen und abreißen. Die Finanzierung dieses Vorhabens erfolgte zum Teil aus dem Privatvermögen dieses Statthalters.

Auf dem so geschaffenen freien Platz ließ er einen großzügigen, eingezäunten Park anlegen, der mit Wild besetzt wurde. Obwohl diese Wildgehege nur 40 Jahre lang genutzt wurden, blieb der Name „Hirschgarten“ bis heute erhalten.

Krönender Abschluß der Parkgestaltung war um 1740 die Errichtung von zwei rechtwinklig zur Statthalterei angelegten Wachhäusern. Diese Wachhäuser wurden nahezu symmetrisch mit vorspringenden Mansardendächern ausgeführt, die auf schlichten toskanischen Säulen ruhen. Die profilierten Tür- und Fenstergewände erhielten wie auch die Säulen einen für die Mainzer Gebäude typischen roten Anstrich, der kontrastreich zur weißen Putzfläche steht.

Unter dem Statthalter Dalberg wurde 1780 das Wild abgeschafft und diese Parkanlage einer öffentlichen Nutzung gewidmet. Mit Sandsteinfiguren der griechischen Götterwelt, die aus dem Molsdorfer Schloßpark geholt wurden, erhielt die Anlage einen zusätzlichen Schmuck. Die Erfurter nutzten nun den Park mit Vorliebe als „Abendpromenade“ und genossen an den Wochenenden Musikveranstaltungen.

Die Wachgebäude wurden von Mainzer, preußischen und französischen Grenadieren genutzt. Nach dem I. Weltkrieg zog hier die Erfurter Stadtwache ein. Das westliche Wachhaus wurde in den dreißiger Jahren vom roten Kreuz und nach dem II. Weltkrieg als Wohnung verwendet.

Im Gedenken an die gefallenen Soldaten und Offiziere aus Erfurter Garnisonen, die in den Kriegen bis zur deutschen Einigung (1866 und 1870/71) ihr Leben ließen, wurde 1876 ein martialisches Kriegerdenkmal errichtet. Auf einer großen Granitsäule war ein vergoldeter Adler mit ausgebreiteten Schwingen angeordnet, der den Blick nach Westen, zum „Erbfeind“ Frankreich, richtete. Am massiven quadratischen Unterbau waren zahlreiche bronzene Porträts von gekrönten Häuptern und Kriegsherren sowie Schrifttafeln befestigt.



Unmittelbar nach Ende des II. Weltkrieges wurde dieses „Kriegerdenkmal“ im Auftrag des sowjetischen Stadtkommandanten entfernt. Zehn Jahre später kam an die gleiche Stelle ein großer Springbrunnen, der heute noch vorhanden ist.

Umbenennungen des Hirschgartens während der NS-Zeit in „Platz der SA“ und nach der Gründung der DDR in „Platz der Deutsch-Sowjetischen-Freundschaft“ nahmen keinerlei Bezug auf den historischen Ursprung dieser innerstädtischen Parkanlage und haben sich nie dauerhaft in das Bewußtsein der Erfurter eingeprägt.

Viele ältere Erfurter erinnern sich noch an die Straßenbahn-Wendeschleife oder das etwas streng riechende, wellblechgedeckte Pissoir an der Westseite des Hirschgartens sowie die preiswerte Gaststätte „Himmel“ in der angrenzenden Regenbogengasse.

Anfang der achtziger Jahre kam es zu weiteren folgenreichen Eingriffen in das Areal des Hirschgartens. Erst wurde im Auftrag des Rates des Kreises Erfurt-Land ein PKW-Parkplatz gegenüber des Regierungsgebäudes angelegt. 1985 folgte der Rückbau des westlichen Wachhauses, das zu nah an der Baugrube des künftigen „Hauses der Kultur“ stand. Der damalige VEB Denkmalpflege Erfurt erhielt den Auftrag zur Bestandserfassung des Wachhauses, zum Rückbau und zur Zwischenlagerung auf dem Gelände der Medizinischen Akademie (heute Heliosklinik). Die beiden letzten Molsdorfer Sandsteinfiguren kamen nach ihrer Restaurierung wieder zurück zum Schloßpark.

Der Standort für das „Haus der Kultur“ zwischen Eichenstraße und Regenbogengasse und der Zerstörung dieses Altstadtareals wurden übrigens vom damaligen Chef der SED-Bezirksleitung Gerhardt Müller entschieden, als die Diskussion über fünf Standortvarianten kein Ende fand. Nachdem rund 60 Millionen Mark verbaut waren, fiel nach 1989 die Entscheidung zum Abriss des Kulturhaus-Rohbaus mit Tiefenenttrümmerung. Zwischenzeitlich wurde ein maßstabloser Kaufhausbau durch Bürgerproteste und Einsprüche im Stadtrat wieder verworfen.
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